Der Durchbruch: 1981 – das Internationale Jahr der Behinderten

V.li.: Prof. Dr. Theresia Degener, Dr. Monika Báar, Prof. Dr. Karin Tiesmeyer und Prof. Dr. Birgit Rothenberg (Foto: J. Gottschick, EvH RWL)

Geschichte neu erzählen – das ist das Leitmotiv des Forschungsprojekts “Rethinking Disability: the Global Impact of the International Year of Disabled Persons (1981) in Historical Perspective” an der Universität Leiden (Niederlande). Welche Bedeutung hat das Jahr 1981 für die Geschichte der Behindertenbewegung weltweit, was folgte daraus für den  Menschenrechtsdiskurs? Diesen und anderen Fragen widmet sich das Projekt, so die Projektleiterin Dr. Monika Báar in ihrem Vortrag am 07.11.2017 an der Evangelischen Hochschule RWL in Bochum.

Das Weltflüchtlingsjahr 1959, das Internationale Jahr der Frau 1975, das Internationale Jahr der Behinderten 1981 – mit Themenjahren (und -tagen) versuchen die Vereinten Nationen, ein öffentliches Bewusstsein für unterrepräsentierte Gruppen oder Themen zu erzeugen. Durch das UNO-Jahr 1981 erhielt das Thema Behinderung endlich globale Relevanz. Zusammen mit der sich anschließenden Dekade der Behinderten wurde es ein wichtiger Meilenstein der Behindertenbewegung. Es gilt als Motor für die zahlreichen Debatten und gesellschaftlichen Auseinandersetzungen weltweit, die schließlich in der Erarbeitung und Verabschiedung der UN-Behindertenrechtskonvention im Jahr 2006 gipfelten.

„Behinderung ist in meinem Fach – noch – kein Thema“, stellte die promovierte Historikerin Monika Báar fest. Das Forschungsvorhaben habe daher zum Ziel, das UNO-Jahr als bedeutungsvolles Datum auch für die historische Forschung einzuführen, als neuen Anknüpfungspunkt für die Geschichtsschreibung. Doch „Rethinking Disability“ ist auch aus anderen Gründen ein Vorreiterprojekt. So weiß man über die Geschichte der Behindertenbewegung auf nationaler und lokaler Ebene bereits einiges, was jedoch fehlt, sind transnationale Vergleiche. So müsse etwa untersucht werden, welche westlichen Diskurse und Konzepte im Zuge des UNO-Jahrs in die sogenannte Dritte Welt transportiert wurden und welche Auswirkungen dies auf die lokalen Debatten hatte. „Das führt uns zu der Frage, ob Selbstbestimmung und Autonomie tatsächlich universelle Konzepte sind“, so Báar. Wer sich dem Thema aus globaler Perspektive nähert, muss auch die damalige weltpolitische Lage in den Blick nehmen: Das Internationale Jahr der Behinderten fand immerhin mitten im Kalten Krieg statt. Für das Forschungsteam um Dr. Monika Báar wirft dies weitere Fragen auf: Wie wirkte sich der Kalte Krieg auf die Dynamik der Bewegung und der politischen Debatte aus und welche Rolle spielen politische Systeme für die Entwicklung und Formen sozialer Proteste und Bewegungen? Man darf gespannt sein, welche Antworten die Forscher*innen in den nächsten 5 Jahren auf diese Fragen finden. Erste Ergebnisse kann man bereits im Blog des Projekts nachlesen: http://rethinkingdisability.net/category/blog/

Übrigens konnte Dr. Monika Báar ihren Aufenthalt in Bochum auch für ihre Forschung nutzen: Mit Prof. Dr. Theresia Degener und Prof. Dr. Birgit Rothenberg, beide Lehrende an der Evangelischen Hochschule RWL, standen ihr zwei Expertinnen und Zeitzeuginnen der Behindertenbewegung als Gesprächspartnerinnen zur Verfügung.

Der Vortrag über das Internationale Jahr der Behinderten fand im Rahmen des Disability Studies Forum statt, einer Veranstaltungsreihe des Bochumer Zentrums für Disability Studies (BODYS). Das Forum bietet Raum, sich mit aktuellen Diskursen in Themenfeld von Inklusion und Sozialer Arbeit sowie dem Stand der Umsetzung der UN BRK aus der Perspektive von Disability Studies in Deutschland auseinanderzusetzen.

 

Zurück